Wie werden autoimmune Enzephalitiden diagnostiziert?
Zum klinischen Verdacht auf eine autoimmune Enzephalitis kommt es in der Regel bei akut oder subakut auftretenden, rasch progredienten (<3 Monate) Störungen des Kurz- und Arbeitsgedächtnisses oder einer qualitativen/quantitativen Bewusstseinsstörung oder dem subakuten Auftreten psychiatrischer Symptome wie Wesensänderungen, Verhaltensauffälligkeiten und affektiven Störungen (Graus 2016). Bereits in diesem Stadium sollte eine Diagnostik auf zugrundeliegende Autoantikörper in Liquor und Serum initiiert werden, die in Abhängigkeit vom klinischen Syndrom und von Zusatzbefunden abgestuft erfolgen kann. Gelegentlich kann die Diagnose der autoimmunen Enzephalitis schon ohne den Nachweis von Antikörpern gestellt werden, insbesondere dann, wenn
- sich Entzündungszeichen im Liquor zeigen (Pleozytose, starke Eiweißerhöhung),
- Enzephalitis-typische MRT-Veränderungen (ein- oder beidseitige T2-/FLAIR-Hyperintensitäten des medialen Temporallappens),
- neu aufgetretene epileptische Anfälle oder ein temporaler Fokus epilepsietypischer Potentiale im EEG
UND - wichtige Differentialdiagnosen (Tabelle) ausgeschlossen werden können.
Abbildung 1
Schematischer Ablauf der Diagnose und Differentialdiagnose autoimmuner Enzephalitiden. Zur Antikörperdiagnostik siehe auch “Wie werden neuronale Antikörper nachgewiesen?”
Bei der häufigsten autoimmunen Enzephalitis, der NMDA-Rezeptor-Enzephalitis, finden sich neben dem charakteristischen klinischen Verlauf fast immer Auffälligkeiten im Liquor, sodass der Lumbalpunktion ein wichtiger Stellenwert zukommt. Das Routine-MRT des Gehirns ist in mehr als der Hälfte der Fälle unauffällig und steht oft in auffallendem Gegensatz zum schweren Krankheitsbild der Patienten in der Akutphase. Aber es kommen auch hyperintense und leukenzephalopathische MRT-Veränderungen vor, insbesondere mesiotemporal, kortikal, meningeal und in den Basalganglien (Heine 2018). Im EEG finden sich in 90% der Fälle Auffälligkeiten, vor allem diffuse Verlangsamungen. Der Nachweis von IgG-NMDAR-Antikörpern im Zusammenhang mit dem klinischen Syndrom führt zur sicheren Diagnose der NMDAR-Enzephalitis.
Folgende klinische Konstellationen sind besonders häufig mit einem spezifischen Antikörper assoziiert bzw. können sogar pathognomonisch für eine bestimmte autoimmune Enzephalitis sein:
- Neu aufgetretene Psychose bei jungen Patienten oder Kindern → NMDAR-Ak
- Faziobrachiale dystone Anfälle (FBDS) → LGI1-Ak
- Besonders häufige epileptische Anfälle / Status epilepticus → GABAR-Ak (GABAAR > GABABR)
- Morvan-Syndrom, (schmerzhafte) Small-Fiber-Neuropathie → Caspr2-Ak
- Parasomnien, Schlafapnoe, Stridor → IgLON5-Ak
- Therapierefraktäre Diarrhoen, neuronale Hyperexzitabilität → DPPX-Ak
Wie werden neuronale Antikörper nachgewiesen?
Da die meisten autoimmunen Enzephalitiden auch als paraneoplastisches Syndrom auftreten können, ist in Abhängigkeit vom klinischen Syndrom und vom nachgewiesenen Antikörper eine Tumordiagnostik indiziert.
Tabelle: Ausgewählte Differentialdiagnose ( *z.B. GAD; RhoGTPase-activating protein 26, Homer-3, mGluR1. #Cytosin-arabinosid)
Syndrom | Differentialdiagnose |
---|---|
Subakute zerebelläre Degeneration |
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Limbische Enzephalitis (LE) |
|
Opsoclonus-Myoclonus Syndrom |
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Retino-/opticopathie |
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Lambert-Eaton-myasthenes Syndrom |
|
5-FU = 5-fluorouracil; CIDP = chronische inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie; CJD = Creutzfeld-Jakob Disease; EBV = Ebstein-Barr Virus; GBS = Guillain-Barre Syndrom; HIV = humanes Immunodefiuienz Syndrom; HIV/PML = progressive multifokale Leukoenzephalopathie bei HIV; MSA = Multi-System-Atrophie; NMO = Neuro-myelitis optica; PACNS= primary angiitis of the CNS; SREAT = steroid responsive encephalopathy with autoantibodies to thyroid; SLE=Systemischer Lupus erythematodes; VZV = Varicella Zoster Virus; WNV = West Nile Virus |
Literatur
- Graus F, Titulaer MJ, Balu R, Benseler S, Bien CG, Cellucci T, Cortese I, Dale RC, Gelfand JM, Geschwind M, Glaser CA, Honnorat J, Höftberger R, Iizuka T, Irani SR, Lancaster E, Leypoldt F, Prüss H, Rae-Grant A, Reindl M, Rosenfeld MR, Rostásy K, Saiz A, Venkatesan A, Vincent A, Wandinger KP, Waters P, Dalmau J. A clinical approach to diagnosis of autoimmune encephalitis.Lancet Neurol. 2016 Apr;15(4):391-404.
- Heine J, Prüss H, Kopp UA, Wegner F, Then Bergh F, Münte T, Wandinger KP, Paul F, Bartsch T, Finke C. Beyond the limbic system: disruption and functional compensation of large-scale brain networks in patients with anti-LGI1 encephalitis. J Neurol Neurosurg Psychiatry. 2018 Jun 9. pii: jnnp-2017-317780.