GENERATE-BOOST Informationen für Ärzte
Wie ist das Studiendesign?
Generate-Boost ist eine multizentrische, randomisierte, kontrollierte und doppelblinde Studie zur Überprüfung der Wirksamkeit und Sicherheit von Bortezomib bei Patienten mit schwerer autoimmuner Enzephalitis. Es sollen insgesamt 50 Patienten über einen Zeitraum von etwa zwei Jahren eingeschlossen werden. Die Randomisierung erfolgt 1:1 nach computerbasiertem Algorithmus, stratifiziert nach Prüfzentrum.
Bei insgesamt 20 Patienten mit schwerer autoimmuner Enzephalitis (mRS ≥ 3) soll der klinische Nutzen einer Gabe von Bortezomib (bis zu 3 Behandlungszyklen) zur Standard-Immuntherapie (Vorbehandlung mit Rituximab) im Vergleich zu 20 Patienten mit Gabe von Plazebo (0,9% NaCl-Lösung) untersucht werden.
Die Gabe von bis zu 3 Zyklen Prüfmedikation ist möglich. Ein Zyklus (21 Tage) besteht hierbei aus 4 subkutanen Injektionen an den Tagen 1, 4, 8 und 11 in einer Konzentration von je 1,3 mg/m2 Körperoberfläche (bei Verum Bortezomib). Obligat ist die zusätzliche Gabe von 20 mg Dexamethason in beiden Gruppen an diesen Tagen.
Weiterführende Information finden Sie auf den Seiten der DRKS
(https://www.drks.de/drks_web/navigate.do?navigationId=trial.HTML&TRIAL_ID=DRKS00017497)
und von Clinicaltrials.gov
(https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT03993262?cond=Autoimmune+Encephalitis&cntry=DE&draw=2&rank=1 ).
Wer finanziert die Studie?
Die Studie wird im Rahmen des Verbundvorhabens CONNECT-GENERATE, eines nationalen Forschungsverbunds zur Erklärung, Kategorisierung und Behandlung autoimmuner Hirnentzündungen (Enzephalitiden) und verwandter Erkrankungen innerhalb des Deutschen Netzwerkes zur Erforschung autoimmuner Enzephalitiden durchgeführt. Gefördert wird das Projekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Sponsor der Studie ist die Friedrich-Schiller-Universität Jena.
Wissenschaftlicher Hintergrund: Warum Bortezomib?
Therapeutisch sind Patienten mit autoimmuner Enzephalitis und Autoantikörpern gegen neuronale Oberflächenantigen mittels Immuntherapie behandelbar. Allerdings ist eine schnelle Immuntherapie nach Diagnosestellung erforderlich [6] und bislang besteht keine zugelassene und kontrolliert geprüfte Therapie für diese Erkrankungsgruppe. Nach Expertenkonsens werden verschiedene Kombinationstherapien angewendet, die auf die Reduktion der pathogenen Antikörper und Eindämmung des autoimmunen Prozesses ausgerichtet sind. In spezialisierten Zentren werden dazu Plasmaphereseverfahren und Kortisonpräparate (sog. „first-line“ Therapie) und B-Zell-Depletion mit Rituximab und/oder Cyclophosphamid (sog. „second-line“ Therapie) angewendet [7]. Trotzdem ist das Therapieansprechen oft verzögert, was für eine große Anzahl von Patienten einen langdauernden Klinikaufenthalt, oft über Wochen und Monate auch auf der Intensivstation mit teilweise auch ungünstigerem Verlauf bedeutet [8]. Das verzögerte und zum Teil ungenügende Ansprechen auf die derzeit durchgeführte Immuntherapie ist dadurch begründet, dass es keine spezifische Therapie gegen Plasmazellen gibt, die selektiv im Gehirn große Mengen an potentiell pathogenen Antikörpern produzieren [1, 9]. Die Plasmapherese- oder Immunadsorptionsverfahren können zwar systemische Autoantikörper aus dem Kreislauf entfernen, auf intrathekale Antikörper oder Antikörper im Parenchym des zentralen Nervensystems können diese Verfahren nur begrenzt einwirken. Die B-Zell-Depletion mit Rituximab reduziert zwar die Anzahl von B-Zellen und in der Folge auch von kurzlebigen Plasmazellen, aber die hauptsächlich Antikörper-produzierenden, langlebigen Plasmazellen (mit Oberflächenmarker CD138) bleiben davon unbehelligt [10, 11]. Bislang existieren keine Erkenntnisse kontrollierter, prospektiver Studien, die die Wirksamkeit von Immuntherapeutika bei diesem Krankheitsbild belegen.
Aufgrund dieser therapeutischen Lücke ist eine möglichst spezifische, auf die Autoantikörper produzierenden Plasmazellen abzielende Therapie nötig, um eine wirksame und schnelle therapeutische Option für die schwer und potentiell lebensbedrohlich betroffenen Patienten mit autoimmuner Enzephalitis und Antikörper gegen neuronale Oberflächenantigene zu erreichen.
In der vorliegenden multizentrischen, randomisierten, kontrollierten und doppelblinden Studie soll Wirksamkeit und Sicherheit von Bortezomib bei Patienten mit schwerer autoimmuner Enzephalitis geprüft werden.
Bortezomib ist ein Proteasom-Inhibitor, interferiert mit NF-κB und dem Ubiquitin-Proteasom Signalweg. Bortezomib wirkt deshalb bevorzugt auf Zellen mit hoher Proteinsynthese und führt in diesen Zellen zum Zelltod [11]. Plasmazellen haben eine sehr hohe Proteinsynthese und sind deshalb besonders anfällig für den Bortezomib-induzierten Zelltod. Deshalb ist Bortezomib bereits seit vielen Jahren Bestandteil der Chemotherapie bei Plasmozytom. Auch in systemischen Autoimmunerkrankungen, wie z.B. systemischen Lupus Erythematodes, gibt es erste Berichte, dass Bortezomib eine Depletion langlebiger Plasmazellen bewirkt und damit zu einer Reduktion pathogener Antikörper und klinischer Besserung führt [12]. In einer ersten Fallserie wurde das therapeutische Potential von Bortezomib bei 5 Patienten mit einer schwerwiegenden und therapierefraktären NMDAR-Enzephalitis beschrieben [10]. Hier führte die zusätzliche Therapie mit Bortezomib nach einem zum Teil sehr langen Krankheitsverlauf zu einer Verbesserung der Krankheitssymptome sowie zu einer Reduktion der Antikörper-Titer.
Das Nebenwirkungsspektrum von Bortezomib ist gut bekannt und ein kontinuierliches Sicherheitsmonitoring wird durchgeführt. Um den Patienten keine Standardtherapie vorzuenthalten, ist in den Einschlusskriterien die obligate Gabe von Rituximab enthalten. Bortezomib wird somit als Medikation bei bereits erfolgter first-line und second-line Therapie geprüft. Hierzu wird Bortezomib entsprechend dem in anderer Indikation zugelassenem Applikationszyklus verabreicht. Potentielle Nebenwirkungen umfassen v.a. eine Bortezomib-induzierte Polyneuropathie, die bei Absetzen der Medikation reversibel ist. Im Rahmen der klinischen Studie wird das Auftreten von Symptomen einer Polyneuropathie regelmäßig überprüft und das Studienmedikament wird in diesem Fall abgesetzt. In der bisherigen klinischen Erfahrung von Patienten mit autoimmuner Enzephalitis und Therapie mit Bortezomib war das Auftreten einer Polyneuropathie selten, von untergeordneter Bedeutung und vollständig reversibel nach Absetzen der Medikation[10]. Typische Nebenwirkungen von Bortezomib umfassen weiterhin Leberenzymerhöhungen, Thrombozytopenie sowie Anämie, was durch regelmäßige determinierte Blutuntersuchungen im Rahmen der Studie getestet wird. Diese und andere Laborauffälligkeiten (z.B. auch Elektrolytveränderungen) sind in der Regel voll reversibel. Vorübergehende Übelkeit, Erbrechen, Durchfall sind möglich und werden bei Auftreten klinisch überwacht. Dazu sind unter anderem mehrere Blut- und zwei Liquor-Untersuchungen vorgesehen. Diese können ggf. im Rahmen von Routine-Kontrollen mit abgenommen werden, wodurch keine zusätzliche invasive Belastung des Patienten notwendig ist.
Was sind die Ziele dieser klinischen Prüfung?
Ziel der Studie ist zu prüfen, ob eine Behandlung von Patienten mit Autoimmuner Enzephalitis mittels Bortezomib zu einer Verbesserung der Krankheitssymptome sowie zu einer Reduktion pathogener Antikörper-Titer führt.
Das primäre Ziel ist die modifizierte Rankin-Scale-Score (mRS) in Woche 17 nach der ersten Gabe der Prüfmedikation zu bestimmen.
Weitere Zielgrößen sind u.a. mRS- und GCS Scores 3, 6 und 9 Wochen nach erster Gabe der Prüfmedikation und im Follow-Up 13 Wochen nach der ersten Gabe der Prüfmedikation, Dauer des Krankenhausaufenthaltes / der Intensivstation, sowie Antikörpertiter/Destruktionsmarker/zelluläre Immunantwort und die neurokognitive Funktion jeweils zu Studienbeginn und im Follow-up 17 Wochen ersten Gabe der Prüfmedikation.
Die aufgetretenen schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse innerhalb von 17 Wochen nach Randomisierung werden insbesondere hinsichtlich Bortezomib-Sicherheit in Bezug auf Polyneuropathie, Erhöhung der Leberenzyme und Sekundärinfektionen ausgewertet.
Ablauf
Die Studiendauer ist so veranschlagt, dass maximal 3 Zyklen Bortezomib verabreicht werden können (9 Wochen) und die Gesamtdauer der Studiendauer für jeden Patienten 17 Wochen beträgt. Die Studiendauer ist mit insgesamt 17 Wochen und 3 Zyklen Bortezomib ausreichend lange gewählt, dass eine klinische Besserung der schwer betroffenen Patienten erfasst werden sollte.
Auch wenn nur limitierte Vorerfahrungen mit Bortezomib bei Patienten mit autoimmuner Enzephalitis vorliegen [10] deuten diese darauf hin, dass eine klinische Besserung in etwa 8-12 Wochen nach Therapieeinleitung (erste Gabe Bortezomib) eintritt.
Ich behandle eine/-n Patienten/-in mit autoimmuner Enzephalitis. Kann ich sie/ihn an ein Prüfzentrum überweisen?
Ja, sehr gern können Sie sich hierzu mit Ihrem nächstgelegen Prüfzentrum in Verbindung setzen.
Kann ich mit meiner Klinik Prüfzentrum werden?
Kontaktieren Sie bitte zu dieser Frage den LKP, Prof. Dr. Christian Geis unter christian.geis@med.uni-jena.de oder Telefon: +49-3641-9323413.
Wo erhalte ich weitere Informationen? An welchen Kliniken wird diese Studie durchgeführt?
Leiter der Klinischen Prüfung
Prof. Dr. Christian Geis
Universitätsklinikum Jena
Klinik für Neurologie
Am Klinikum 1
07747 Jena
E-Mail: Christian.Geis@med.uni-jena.de
Zentrum Berlin
Ansprechpartner: PD Dr. Harald Prüß
Zentrum Bochum
Ansprechpartner: PD Dr. Ilja Ayzenberg
Ilya.Ayzenberg@ruhr-uni-bochum.de
Zentrum Göttingen
Ansprechpartner: Dr. med. Dirk Fitzner
d.fitzner@med.uni-goettingen.de
Zentrum Hannover
Ansprechpartner: PD Dr. Kurt-Wolfram Sühs
Suehs.Kurt-Wolfram@mh-hannover.de
Zentrum Jena
Ansprechpartner: Prof. Dr. Christian Geis
Christian.Geis@med.uni-jena.de
Zentrum Kiel
Ansprechpartner: PD Dr. Frank Leypoldt
Zentrum Leipzig
Ansprechpartner: Prof. Dr. Florian Then Berg
Florian.ThenBergh@medizin.uni-leipzig.de
Zentrum Mainz
Ansprechpartner: Prof. Dr. Stefan Bittner
stefan.bittner@unimedizin-mainz.de
Zentrum Münster
Ansprechpartner: PD Dr. Nico Melzer
Zentrum München
Ansprechpartner: Prof. Dr. Tania Kümpfel
tania.kuempfel@med.uni-muenchen.de
Zentrum Ulm
Ansprechpartner: PD Dr. Jan Lewerenz
Zentrum Würzburg
Ansprechpartner: Prof. Dr. Claudia Sommer
Literatur:
- Dalmau, J., C. Geis, and F. Graus, Autoantibodies to Synaptic Receptors and Neuronal Cell Surface Proteins in Autoimmune Diseases of the Central Nervous System. Physiol Rev, 2017. 97(2): p. 839-887.
- Vitaliani, R., et al., Paraneoplastic encephalitis, psychiatric symptoms, and hypoventilation in ovarian teratoma. Ann Neurol, 2005. 58(4): p. 594-604.
- Hughes, E.G., et al., Cellular and synaptic mechanisms of anti-NMDA receptor encephalitis. J Neurosci, 2010. 30(17): p. 5866-75.
- Haselmann, H., et al., Human Autoantibodies against the AMPA Receptor Subunit GluA2 Induce Receptor Reorganization and Memory Dysfunction. Neuron, 2018. 100(1): p. 91-105 e9.
- Petit-Pedrol, M., et al., LGI1 antibodies alter Kv1.1 and AMPA receptors changing synaptic excitability, plasticity and memory. Brain, 2018. 141(11): p. 3144-3159.
- Dalmau, J. and F. Graus, Antibody-Mediated Encephalitis. N Engl J Med, 2018. 378(9): p. 840-851.
- Graus, F., et al., A clinical approach to diagnosis of autoimmune encephalitis. Lancet Neurol, 2016. 15(4): p. 391-404.
- Schubert, J., et al., Management and prognostic markers in patients with autoimmune encephalitis requiring ICU treatment. Neurol Neuroimmunol Neuroinflamm, 2019. 6(1): p. e514.
- Martinez-Hernandez, E., et al., Analysis of complement and plasma cells in the brain of patients with anti-NMDAR encephalitis. Neurology, 2011. 77(6): p. 589-93.
- Scheibe, F., et al., Bortezomib for treatment of therapy-refractory anti-NMDA receptor encephalitis. Neurology, 2017. 88(4): p. 366-370.
- Neubert, K., et al., The proteasome inhibitor bortezomib depletes plasma cells and protects mice with lupus-like disease from nephritis. Nat Med, 2008. 14(7): p. 748-55.
- Alexander, T., et al., The proteasome inhibitior bortezomib depletes plasma cells and ameliorates clinical manifestations of refractory systemic lupus erythematosus. Ann Rheum Dis, 2015. 74(7): p. 1474-8.